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Schwerpunkt
Gewalt und Vernachlässigung

Schläge und Prügel waren früher lange Zeit ein gängiges Mittel, um Kinder gefügig zu machen. Fast die Hälfte der Eltern halten auch heute noch einen Klaps auf den Po für ein erlaubtes Erziehungsmittel. Fast 20 Prozent denken genauso über eine leichte Ohrfeige. Dagegen lehnen fast alle Eltern Prügel mit blauen Flecken ab. Trotzdem kommt es in manchen Familien weiterhin zu schwerer körperlicher Gewalt, auch mit Knochenbrüchen oder Verbrennungen. 

Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt und die Dunkelziffer hoch ist, zeigen Befragungen von Jugendlichen, dass etwa fünf bis zehn Prozent aller Eltern ihre Kinder mit Schlägen und Prügel züchtigen. Mädchen und Jungen werden ungefähr gleich häufig Opfer von körperlicher Misshandlung. Mütter und Väter sind gleich häufig Täter. Sie entstammen allen sozialen Schichten. Fachleute sind sich einig, dass körperliche Strafen kein geeignetes Erziehungsmittel sind.


Für die Kinder sind Schläge und Prügel zunächst ein starker körperlicher Schmerz. Sie sind aber auch eine schwere Demütigung und Herabsetzung. Sie sind eine tiefe seelische Kränkung, die langwierige Folgen haben kann. Schläge und Prügel sind kein Mittel der Erziehung, sondern der Unterdrückung. Sie zerstören die Gefühle von Nähe und Aufgehobensein, die Kinder elementar benötigen und bei ihren Eltern suchen. Ein geschlagenes Kind fühlt sich einsam, verlassen und ungeschützt. Kinder sollten all dies nicht durch ihre Eltern erleben. Nicht weniger bedrohlich ist für Kinder, miterleben zu müssen, wie zum Beispiel die Mutter vom Vater geschlagen oder sexuell misshandelt wird. Gewalt in der Partnerschaft ist seelische Kindesmisshandlung. 


Die Erfahrung von körperlicher und seelischer Gewalt in der Familie prägen Kinder häufig ein Leben lang und können später die Ursache für viele psychische Beschwerden und Erkrankungen sein. Sie können dahinterstecken, wenn Kinder sich in der Schule nicht konzentrieren können, keine Hausaufgaben machen oder die Schule schwänzen. Sie können dazu führen, dass Kinder schlecht träumen und aus dem Schlaf aufschrecken. Sie können Kinder so ängstigen, dass sie nicht mehr von ihren Müttern oder Vätern zu trennen sind. Andere Kinder ziehen sich in sich selbst zurück, haben an nichts mehr Freude und werden depressiv. Auch selbstschädigendes Verhalten, Drogenkonsum oder Suizidversuche im Jugendalter können die Folge von Gewalterfahrungen in der Kindheit sein. Andere Kinder wehren Zuneigung ab, werden selbst aggressiv und neigen dazu, selbst Konflikte mit Gewalt zu lösen. Zwar erzeugt Gewalt nicht automatisch wieder Gewalt, aber viele Gewalttäter*innen haben in ihrer Kindheit selbst Schläge und Prügel erlebt.

Überforderung kann eine Ursache sein

Es gibt Faktoren und Situationen, die Kindesmisshandlung und -vernachlässigung begünstigen. Die eigene Erziehung der Eltern spielt eine große Rolle: Wurden sie selbst geschlagen oder gedemütigt, ist das Risiko höher, dass sie auch ihre Kinder körperlich und seelisch verletzen. Sie haben es nicht anders gelernt. Auch niedrige Bildung, Armut, ein junges Lebensalter, starker Stress, akute psychische Probleme oder Suchterkrankungen können sich negativ auf die Fürsorge auswirken. Zusätzlich fördern Trennung, wechselnde Partner*innen, Schulden oder Arbeitslosigkeit Krisen und Konflikte in der Familie, ebenso wie zu enge Wohnungen oder fehlende Unterstützung durch die Familie und Freund*innen. Kommen mehrere dieser Faktoren zusammen, kann dies einen Vater oder eine Mutter überfordern und dazu führen, dass sie ihre Kinder schlagen oder vernachlässigen. Gerade Eltern, die selbst eine schwierige Lebensgeschichte haben, können durch ein Baby, das viel schreit, oder ein Kind, das ständig Aufmerksamkeit fordert, schnell überfordert sein. Ist ein Kind »unerwünscht« zur Welt gekommen, kann schon dies später das Kindeswohl gefährden. All diese Faktoren können zu Misshandlung oder Vernachlässigung führen. Sie erhöhen das Risiko, dass es in manchen Familien dazu kommt. In der Mehrheit kümmern sich aber viele arbeitslose, alleinerziehende, minderjährige oder psychisch kranke Eltern sehr fürsorglich um ihre Kinder.

Gewalt gegen Kinder ist in Deutschland verboten

Alle Kinder haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Kinder dürfen nicht geschlagen oder anderweitig misshandelt werden – auch nicht ein bisschen oder nur manchmal. Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention gewährt Kindern den Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung und Verwahrlosung. Sie ist auch in Deutschland gültig. Seit dem Jahr 2000 ist auch im Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht auf gewaltfreie Erziehung eindeutig geregelt. Dort heißt es unmissverständlich: »Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig« (§ 1631 Absatz 2 BGB). Gewalt – egal in welcher Form sie ausgeübt wird – darf nicht verharmlost werden. Es ist die Aufgabe der Sorgeberechtigten, ihre Kinder vor Gewalt zu schützen. Das bedeutet auch, dass ein Elternteil das Kind schützen muss, wenn das andere Elternteil gewalttätig ist. Es darf nicht wegschauen!

Welche Hinweise gibt es für körperlichen Missbrauch?

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Kinder, die misshandelt werden, fallen nicht unbedingt auf. Wenn es zu sichtbaren Verletzungen kommt, versuchen die Kinder ihre Eltern meist zu schützen. Sie finden häufig Erklärungen, um den Verdacht auf Gewaltanwendung zu zerstreuen. Sie geben an, mit dem Fahrrad gestürzt oder vom Klettergerüst gefallen zu sein. Wenn Sie den Verdacht haben, dass die Erklärungen nicht zu den Verletzungen passen und dass das Kind misshandelt wird, sollten Sie das Jugendamt einschalten.


Anzeichen, die auf eine Misshandlung hinweisen, können sein:

  • Das Kind hat immer wieder Verletzungen wie Kratzer, Abschürfungen, Blutergüsse, Schnitt- und Bissverletzungen oder Verbrühungen.
  • Das Kind zeigt unterschiedlich alte und frische Verletzungen, die kaum beim Spielen entstanden sein können, zum Beispiel an Auge, Wange, Ohren, Innenseite der Oberarme, Brustkorb, Bauch, Gesäß oder Rücken.
  • Das Kind weigert sich, beim Sport kurze Kleidung zu tragen.
  • Das Kind hat Angst davor, nach Hause zu gehen.
  • Das Kind fehlt sehr häufig ohne nachvollziehbaren Grund in Kita oder Schule.
  • Auch plötzliche schlechte Noten in der Schule, die zum Beispiel nicht durch die Trennung der Eltern oder die Trauer um eine geliebte Person zu erklären sind, können Hinweise auf Misshandlungen sein.


Wichtig: Alle diese Anzeichen beweisen keine Misshandlung. Sie können auch anders zu erklären sein.

Wo finden wir Hilfe?

Für das nicht-gewalttätige Elternteil


Es ist Ihre Aufgabe, Ihr Kind vor Gewalt des anderen Elternteils zu schützen. Schauen Sie nicht weg. Reden Sie es sich nicht schön. Sprechen Sie mit Ihrer Partner*in über die Schläge und Prügel. Wenn Sie Ihre Partner*in in Gesprächen nicht davon überzeugen können, mit der Misshandlung aufzuhören, oder Gespräche nicht möglich sind, sollten Sie sich externe Hilfe suchen.

Mit Expert*innen der Familien- und Erziehungsberatung können Sie zusammen überlegen, was getan werden kann, um die Gewalt so schnell wie möglich zu beenden. Auf der Seite der »Bundeskonferenz für Erziehungsberatung« finden Sie Adressen in Ihrer Nähe (Beratungsstellen-Suche nach Postleitzahlen):

www.bke.de


Auch die Sozialarbeiter*innen des Allgemeinen Sozialen Dienstes bieten in allen deutschen Kommunen Hilfe an, wenn ein Kind Schutz vor körperlicher oder sexueller Gewalt oder Vernachlässigung benötigt. Sie beraten auch in Fragen der Partnerschaft und bei Trennung und Scheidung. Googeln Sie »Allgemeiner Sozialer Dienst« in Ihrem Ort oder Kreis.

Auch online können Sie kostenfrei Unterstützung erhalten bei der Elternberatung »Nummer gegen Kummer« (08 00 1 11 05 50) oder der Elternberatung der »Bundeskonferenz für Erziehungsberatung«: 

eltern.bke-beratung.de/~run/views/home/index.html


Gibt es körperliche Verletzungen, die durch Schläge und Prügel verursacht worden sein könnten, sollten diese möglichst schnell durch eine Expert*in untersucht werden. Hierfür gibt es spezialisierte Kinderschutz-Ambulanzen (Googeln Sie »Kinderschutzambulanz« in Ihrem Ort oder Kreis). Falls Sie solch ein Angebot in Ihrer Nähe nicht finden, können Sie auch Ihre Kinderärzt*in oder eine Kinderklinik aufsuchen. Eine möglichst unmittelbare Dokumentation der Verletzungen ist wichtig für mögliche spätere Gerichtsverfahren.


Auch Frauenhäuser und Männer-Schutzwohnungen sind Anlaufstellen, wenn Sie und Ihr Kind schnell Schutz vor Gewalt in der Familie benötigen: 

www.frauenhauskoordinierung.de

www.maennergewaltschutz.de


Sie können sich auch an das Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« wenden (0 80 00 11 60 16). Hier erhalten Sie anonym Beratung und Unterstützung per Telefon oder Chat, in 17 Sprachen: 

www.hilfetelefon.de


Auf der Internetseite von »Frauen gegen Gewalt e.V.« können Sie weitere Hilfsangebote in Ihrer Nähe suchen wie Frauenberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen:

www.frauen-gegen-gewalt.de


Für das gewalttätige Elternteil


Machen Sie sich klar: Gewalt verletzt Kinder schwer. Unter den psychischen Folgen kann Ihr Kind sein Leben lang leiden. Verletzen Sie nicht Ihr wehrloses Kind, weil Sie überfordert sind. Hilfe ist möglich. Holen Sie sich Hilfe! Am besten jetzt! Psychotherapeut*innen und Expert*innen der Familienberatung können Ihnen helfen, Ihre Impulse besser zu kontrollieren und Konflikte anders zu lösen. 

Beratungsstellen in Ihrer Nähe (Suche nach Postleitzahlen) finden Sie unter:

www.bke.de


Sie können sich auch erst einmal anonym beraten lassen bei der Elternberatung »Nummer gegen Kummer« (08 00 1 11 05 50) oder der Elternberatung der »Bundeskonferenz für Erziehungsberatung«:

eltern.bke-beratung.de/~run/views/home/index.html


Andere Erwachsene


Erzieher*innen, Lehrer*innen, Großeltern oder Freund*innen sollten nicht wegschauen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass ein Kind von den Eltern misshandelt oder vernachlässigt wird. Das Schwierige an einem solchen Verdacht ist: Es ist ein Verdacht. Für ihn gibt es selten eindeutige Beweise. Wenn Sie also die Möglichkeit haben, sollten Sie sich erst einmal mit anderen, die die Familie gut kennen, zum Beispiel anderen befreundeten Familien, über Ihren Verdacht austauschen. Vielleicht machen sich die anderen auch Sorgen oder können den Verdacht entkräften. Sie können Ihre Vermutung auch erst einmal beim Jugendamt schildern und anonym bleiben. Erste Ansprechpartner*innen sind Beratungsstellen für Kinderschutz beim Jugendamt (Googeln: »Kinderschutz«, »Jugendamt«, »Wohnort«).

Eine Strafanzeige bei der Polizei sollten Sie jedoch erst stellen, wenn es einen dringenden Verdacht gibt, zum Beispiel wenn sich das Kind Ihnen anvertraut hat oder häufige schwere Verletzungen aufweist, die nicht von Unfällen herrühren können. Eine Anzeige und ein eingeleitetes Strafverfahren können nicht mehr zurückgenommen werden. Die Polizei ist verpflichtet, solche Anzeigen zu verfolgen und zu ermitteln. Sie hat dabei keinen Ermessensspielraum. Erst die Staatsanwaltschaft kann ein Strafverfahren wieder einstellen.

Wenn Sie mehr wissen wollen 

Mein Kind und ich müssen die Wohnung sofort verlassen

Wenn Sie (und Ihr Kind) häuslicher Gewalt ausgesetzt sind und dringend Schutz brauchen, sollten Sie die gemeinsame Wohnung verlassen. Rufen Sie den nächstgelegenen Kinder- und Jugendnotdienst an. 

Kinder- und Jugendnotdienste sind zentrale Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche in Notfällen. Sie bieten Tag und Nacht Unterstützung und auch eine Unterkunft für Kinder und ihre Familien, wenn sie sofort die Wohnung verlassen müssen, weil dort zum Beispiel Schläge, Prügel und Gewalt drohen. Sie beraten aber auch in Krisen, wenn Streite in der Familie häufig eskalieren oder wenn Eltern zum Beispiel plötzlich ins Krankenhaus müssen und niemand auf das Kind aufpassen kann. Sie sind kommunale Hilfen, die es in den meisten Gemeinden gibt. Sie sind im Internet unter der Postleitzahl und dem Stichwort: »Kinder- und Jugendnotdienst«, »Kinderschutzstelle«, »Jugendschutzstelle« oder »Kinderschutzhaus« zu finden.